Liebe Kundinnen und Kunden,
in letzter Zeit werde ich immer öfter gefragt, warum man bei uns im Kletterzentrum die Top Rope Seile nicht einfach abziehen und die Touren im Vorstieg klettern könne. Ich möchte nun an dieser Stelle etwas ausführlicher erläutern, worin hier die Problematik und ein gewisses Risiko liegt.
Dabei ist zunächst erst einmal folgende Feststellung wichtig:
Für vom Hallenbetreiber bereitgestellte Top Rope Seile ist dieser auch verantwortlich!
Ihr als Kunden verlasst euch darauf, dass jedes Seil sicher in eine genormte und redundante Umlenkung eingehängt ist. Ihr verlasst euch darauf, dass ein ungewolltes Aushängen der Seile ausgeschlossen ist und dass die Seile auch nicht über scharfe Kante laufen und beschädigt werden.
Wenn aber eine dritte Person ein vorinstalliertes Top Rope Seil abzieht und es verändert, dann müsste es durch diese wieder ordnungsgemäß in die Umlenkung eingehängt werden und der Betreiber müsste dies dann ggf. nach jedem Vorgang überprüfen, weil er ja die Top Rope Station bereitgestellt hat. Aus eigener Erfahrung und Beobachtung weiß ich, dass die wenigsten Kunden nach oben zum Umlenker schauen, bevor sie an einem Top Rope Seil zu klettern beginnen. Wir verlassen uns alle darauf, dass Top Rope Seile ordnungsgemäß eingehängt sind. Selbst wenn wir vor dem Klettern nach oben schauen würden, könnten wir auf die Distanz nicht erkennen, ob unser Seil ordnungsgemäß eingehängt ist.
Für mich ist daher ausgeschlossen, dass vom Betreiber zur Verfügung gestellte Top Rope Seile durch dritte Personen (Kunden) verändert werden dürfen. Das mag vielleicht für viele als unattraktiv wahrgenommen werden, ist aber nach unserem Sicherheitsverständnis und Verantwortungsbewusstsein konsequent.
Wer nun entgegenhält, dass es nicht zu einem falschen Einhängen kommen kann, dem möchte ich nur folgende Beispiele nennen. So könnte z.B.
1. das Seil gar nicht im Umlenker eingehängt sein, sondern nur in der letzten Expressschlinge mit einem einfachen Karabiner ohne Verschlusssicherung. Hier wäre unter Umständen ein ungewolltes Aushängen des Seiles möglich.
2. das Seil nicht vollständig im Top Rope Karabiner, bzw. den Karabinern, eingehängt sein. Sofern es nur zwischen den Schnappern verklemmt wäre, könnte es auch hier zu einem Aushängen kommen.
3. das Seil verdreht eingehängt sein und es kommt zu einer Klemmwirkung im Umlenker. Hier ließe sich das Seil nicht richtig durchziehen, das Sichern wäre erschwert und es könnte zu einer Seilbeschädigung kommen.
Ich möchte darauf hinweisen, dass es einige dieser Szenarien schon gegeben hat und diese auch schon mal zu Unfällen geführt haben. Ferner sind auch nicht alle möglichen Szenarien aufgeführt, die je nach Art und Beschaffenheit des Umlenkers variieren können.
Zusätzlich gibt es weitere Punkte zu bedenken, die ein mögliches Risiko darstellen:
1. Abgezogene Top Rope Seile, die für die entsprechende Stelle/Linie lang genug sind, werden abgezogen und versehentlich in einem anderen Teil der Halle eingesetzt, wo die Seillänge nicht ausreicht.
2. Je nach Vorrichtung (Umlenker) und Nutzerverhalten erhöht sich das Risiko, dass zwei Seile in einer Umlenkung oder einem Karabiner laufen. Es könnte zu einer Schmelzverbrennung kommen. Denkbar wäre ein Szenario, bei dem das vom Betreiber bereitgestellte Top Rope Seil beschädigt wird, aber trotzdem noch im Umlenker bleibt. Je nach Umfang der Beschädigung durch eine Schmelzverbrennung könnte es bei einer späteren Belastung im Top Rope Klettern zu einem Seilriss kommen. Einen solchen oder vergleichbaren Unfall hat es ebenfalls in der Vergangenheit bereits gegeben.
3. Der Routenbauer nimmt durch seine Art zu schrauben einen erheblichen Einfluss auf die Sicherheit des Kletterers. Vorstiegstouren wird er in der Regel immer so schrauben, dass auf den ersten Metern und an den ersten Sicherungspunkten, ein sicheres „Klippen“, also Einhängen des Seiles, durch stabile „Klipppositionen“ möglich ist . Touren, die als reine Top Rope Routen geschraubt sind, können daher anders geschraubt sein. Hier kann sich voll auf die reine Kletterbewegung konzentriert werden. Soll also an für Top Rope Klettern geschraubten Routen auch vorgestiegen werden, müsste dies auch konsequent im Routenbau berücksichtigt werden.
Ich kann grundsätzlich verstehen, dass auch hier in den mitteldeutschen und nördlichen Regionen ein größerer Wunsch nach mehr Vorstiegsklettern besteht. Historisch gewachsen, hat aber auch das Top Rope Klettern in den Hallen, hier in der Region eine große Bedeutung und spricht eine breite Zielgruppe an.
Eine Mischlösung kommt aber aufgrund der o.g. Punkte nur in eine Richtung infrage: Eine Seilschaft steigt eine Tour im Vorstieg, hängt das Seil ordnungsgemäß in den Top Rope Umlenker ein und installiert sich so selbst das Seil für den späteren Nachstieg des Kletterpartners. Entscheidender Unterschied ist hierbei, dass sich die Seilschaft selbst das Top Rope einhängt. Nach dem Klettervorgang muss sie dieses Seil umgehend wieder abziehen.
Die Regelungen bei uns im DAV Kletterzentrum Wupperwände basieren auf den oben aufgeführten Argumenten. Andere Hallenbetreiber kommen zu einer anderen Sichtweise, aus der sie ihre Regelungen ableiten.
Bitte versteht, dass wir unsere Regelung nicht zur Diskussion stellen werden. Stattdessen möchten wir die Gründe dafür differenziert erläutern und bekannt machen.
Wir hoffen, dass die oben aufgeführten Punkte für Euch nachvollziehbar sind und so einen Beitrag zu einem geschärften Risikobewusstsein und der Entwicklung einer anderen Risikokultur leisten.
Sportlichen Grüße
Christian Popien